Triggerpunkttherapie / Myofasziale Therapie / Myofascial release – Was steckt dahinter?

Zuletzt aktualisiert am 10. Februar 2023 von Dr. med. Andrea Weidemann

  • Ein sogenannter myofaszialer Triggerpunkt ist eine tastbare punktförmige Verhärtung im Hartspannstrang des Faszien- und Muskelgewebes, welche bei Bewegungen oder Abtasten Schmerzen verursacht.
  • Myofasziale Symptome umfassen Schmerzbeschwerden und vegetative sowie funktionelle Störungen des Bewegungsapparates.
  • Das myofasziale System besteht aus Muskeln und Muskelhüllen (Faszien), Sehnen, Bändern, Kapseln und Bindegewebsplatten (Aponeurosen).
  • Über- oder Fehlbelastungen der Muskulatur können zu Verkrampfungen, einer verschlechterten Durchblutung und Schmerzen führen.
  • Myofasziale Triggerpunkte (MTrP) sind das Zentrum der Muskelverkrampfung und äußern sich häufig als druckempfindlicher Knoten oder Strang.
  • In der Regel sind Schmerzen, die anamnestisch und klinisch als ausstrahlender Schmerz beschrieben werden, auf MTrP zurückzuführen.
  • Die Grundlage einer zielführenden Diagnose ist eine genaue Anamnese (Krankheitsgeschichte des Patienten) unter Berücksichtigung der muskelzugehörigen Muster der Schmerzausstrahlung und eine Palpation (Untersuchung durch Abtasten).
  • Dry Needling verwendet verschiedene Nadelungstechniken, die hauptsächlich an Muskelknoten oder Verhärtungen und mindestens einer Muskelfaszie einzusetzen sind. Ziel ist es, eine lokale Zuckungsreaktion herbeizuführen, um den MTrP anschließend zu lösen.
  • Die Stoßwellentherapie wird durch Druckimpulse, die sich durch eine kurze Impulsdauer und einen schnellen Druckanstieg auszeichnen, durchgeführt. Anschließend wird die Durchblutung des Gewebes gefördert, der Stoffwechsel verbessert sich und das Gewebe kann sich regenerieren.
  • Das Verständnis funktionell-anatomischer Zusammenhänge gilt als integraler Bestandteil der Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten.
  • Die Integration von Dry Needling und fESWT in einem multimodalen Behandlungskonzept ist zur Behandlung des Myofaszialen Syndroms bei Sportlern hochwirksam.

Triggerpunkt

Die Bezeichnung “Trigger Point” wurde zu Beginn der 50er-Jahre von Janet G. Travell, einer US-amerikanischen Ärztin und medizinischen Forscherin, eingeführt. Der Begriff bezeichnet einen Auslösepunkt im Faszien- und Muskelgewebe, welcher vielseitige Beschwerden verursachen kann. Das medizinische und wissenschaftliche Interesse an Muskel- und Bindegewebsstrukturen ist durch neu gewonnene Erkenntnisse in der Erforschung der Nozizeption (Schmerzwahrnehmung) und dem anatomischen Aufbau von Faszien deutlich gewachsen.

Myofasziale Symptome

Myofasziale Symptome (MFS) gehen über die Schmerzprobleme mit Triggerpunkten im Muskel- und Fasziengewebe hinaus und umfassen zudem vegetative und funktionelle Störungen. Oftmals treten MFS bei Störungen des Bewegungsapparates während des Sports auf, die Diagnose und Therapie sollten daher für Sportärzte und Mediziner zur Routine gehören. Die Kenntnisse über MFS ermöglichen eine klinisch-nachvollziehbare und einfache Herangehensweise zur Behandlung der Beschwerden auf Basis der Anatomie und Funktion des myofaszialen Systems.

Begriffsdefinitionen

Was gehört zum myofaszialen System?

Zum myofaszialen System zählen Muskeln sowie Muskelhüllen (Muskelfaszien), Sehnen, Bänder, Kapseln und Bindegewebsplatten (Aponeurosen). Dabei bestehen Organ- und Gelenkkapseln, Sehnen sowie Bänder aus faserigem und kollagenem Bindegewebe (Faszien).

Was ist ein myofaszialer Triggerpunkt (MTrP)?

Ein sogenannter myofaszialer Triggerpunkt äußert sich als tastbare (palpable) punktförmige Verhärtung im Hartspannstrang des Faszien- und Muskelgewebes, welche bei Bewegungen oder Abtasten (Palpation) Schmerzen verursacht. Hierbei kann es sich um kollagenöses Gewebe (Mikrovernarbung) oder eine lokale Verdickung einzelner Muskelfasern handeln.

Beschwerden durch einen MTrP

Dauerhafte Über- oder Fehlbelastungen der Muskulatur äußern sich meist in Verkrampfungen, einer dadurch resultierenden verschlechterten Durchblutung und einer Schmerzentstehung. Die Schmerzen sind der Auslöser für weitere Verspannungen, was zu einem Teufelskreis führen kann. Der sogenannte myofasziale Triggerpunkt (MTrP) ist dabei das Zentrum der Muskelverkrampfung und als druckempfindlicher harter Knoten oder Strang leicht zu ertasten.

Häufig haben Beschwerden, welche anamnestisch und klinisch als ausstrahlender Schmerz beschrieben werden, ihren Ursprung in durch MTrP verursachten Schmerzsymptome. Das Schmerzgefühl entsteht dabei durch die Aktivierung sogenannter stummer Synapsen, die auf der Rückenmarksebene liegen und durch Nozizeptoren (schmerzaufnehmende Sensoren) der Faszien und Muskeln ausgelöst werden.

Die durch einen MTrP ausgelösten Beschwerden führen oftmals zu einer falschen Lokalisation des Schmerzes durch den Patienten. In einem solchen Fall muss die tatsächliche Schmerzquelle durch Abtasten der Faszien oder Muskeln lokalisiert und anschließend behandelt werden.

Kollagenes Gewebe

Jegliche Art von Bindegewebe gilt als fasziales Muskelgewebe, die in der Sportmedizin bedeutenden Sehnen gehören ebenfalls dazu. Das kollagene Gewebe ist nicht nur eine einfache Hülle für Muskeln und Organe, sondern besonders gut strukturiert und ein mit dem kompletten menschlichen Körper verbundenes Netzwerk. Die Fasern sind in Peri-, Endo- und Epimysium aller Muskelstrukturen vorzufinden, wodurch Faszien und Muskeln eine funktionelle sowie anatomische Einheit bilden.

Diagnostik

In der Diagnostik des MFS ist das Muskel- und Fasziengewebe von großer Bedeutung und in die Untersuchungsroutine einzubeziehen, da es etwa 40 bis 50 Prozent der menschlichen Körpermasse ausmacht. Laut wissenschaftlichen Arbeiten des Neuro-Anatomen Siegfried Mense haben myofasziale Triggerpunkte eine besondere klinische Bedeutung. Schmerzen sollen demnach dreifach lokalisierbar sein, am Triggerpunkt, am Ansatz oder Ursprung des Muskels und durch die Übertragung der Schmerzen.

Myofasziale Untersuchung

Eine entsprechende myofasziale Untersuchung beinhaltet neben dem Lokalisieren der Schmerzpunkte auch die Einordnung der Symptomatik in einen anatomisch-funktionellen und strukturellen Zusammenhang in Bezug auf die myofaszialen Ketten. Das Abtasten (Palpation) unter Einbezug der Diagnosekriterien bleibt bis heute trotz weiterer Forschungsfortschritte die wichtigste und gleichzeitig aussagekräftigste Untersuchungsmethode für myofasziale Schmerzen. Die Diagnosekriterien umfassen neben dem Auffinden des empfindlichen Triggerpunktes das Wiedererkennen des Schmerzes durch den Patienten mithilfe einer präzisen Stimulation (mithilfe von Dry Needling, Palpation oder Schockwellentherapie) der Beschwerden.

Beschwerden

Typische Beschwerden des MFS sind lokale Übertragungsschmerzen, welche mit einem Ziehen oder Brennen einhergehen und die Gelenkbeweglichkeit einschränken. Dies äußert sich in Kraftlosigkeit ohne Muskelschwund, Veränderung der Empfindlichkeit und als deutlicher Leistungsverlust bei Sportlern.

Diagnosekriterien

Zu den Diagnosekriterien der Triggerpunkttherapie zählen ein charakteristisch übertragener ausstrahlender Schmerz mit lokaler Zuckungsreaktion und eine Wiedererkennung des Schmerzes. Dazu gehören schmerzhafte Verhärtungen oder sogenannte Knötchen in der Skelettmuskulatur mit verstärktem Druckschmerz.

Therapie

Obwohl myofasziale Schmerzsymptome mit 85 Prozent als hauptsächliche Ursache für Beschwerden des Bewegungsapparates von Ärzten diagnostiziert werden, sind effektive Methoden der Therapie unzureichend bekannt. Bei der myofaszialen Behandlung wird in der Sportmedizin häufig auf physiotherapeutische und manuelle Techniken zurückgegriffen. Weitere Möglichkeiten mittels einer spezifischen ärztlichen Therapie kommen selten zur Anwendung.

Die beiden gering-invasiven Therapien mit Stoßwellen und “Dry Needling” eignen sich durch die Präzision der Anwendung besonders gut zur Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten. Dies gilt hauptsächlich bei Sportlern.

Das Dry Needling

Das sogenannte Dry Needling ist eine besondere Behandlungstechnik, welche bei der Therapie von myofaszialen Beschwerden zur Anwendung kommt. Alternativ wird die Behandlungsmethode auch häufig Triggerpunkt-Akupunktur genannt.

Die Therapie ist ein invasives Behandlungsverfahren. Hierbei kommt eine Akupunkturnadel zum Einsatz, welche durch die Haut in die Muskulatur des Patienten gestochen wird. Ziel der Akupunkturnadel sind die myofaszialen Triggerpunkte.

Für die Triggerpunkt-Akupunktur sind dabei technische Fähigkeiten, ohne detaillierte Kenntnisse zur Akupunktur, notwendig. In der klinischen Praxis kommt oftmals eine Kombination aus Dry Needling und Techniken der Akupunktur aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) zur Anwendung.

Es werden unterschiedliche Nadelungstechniken eingesetzt, die hauptsächlich auf die Muskelknoten oder Verhärtungen und mindestens einer Muskelfaszie abzielen. Hierbei ist das Ziel, eine lokale Zuckungsreaktion zu bewirken, um anschließend den MTrP zu lösen.

Dry Needling ist eine Methode zur Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten, die mit einer sterilen Einmal-Akupunkturnadel durchgeführt wird. Durch das Anstechen der Nadel wird die Durchblutung und die Nährstoffversorgung am behandelten Bereich verbessert, was dazu führen kann, dass sich Verhärtungen im Muskel lösen. Um die besten Behandlungsergebnisse zu erzielen, wird empfohlen, Dry Needling in Kombination mit manueller Triggerpunkt-Therapie durchzuführen.

 

Physiologische Wirkung der Triggerpunkt-Akupunktur

Die physiologische Wirkung der Triggerpunkt-Akupunktur lässt sich in lokale und systematische Effekte unterteilen. Zu den systematischen Effekten gehören insbesondere die Ausschüttung von analgetischen Botenstoffen, wie endogene Opioide und Serotonin sowie die Hemmung der schmerzhaften Reizübertragung auf der Rückenmarksebene. Ein lokaler Effekt der Therapie ist die Zurücksetzung der elektrophysiologischen Eigenschaften und Kontraktilität der betroffenen Muskelfasern durch das Auslösen der Zuckung.

Weiterhin ermöglicht die Methode des Dry Needling eine verbesserte Durchblutung und trägt gleichzeitig zu einer reduzierten Empfindlichkeit der Schmerzrezeptoren bei. Durch die heterosegmentale spinale Verknüpfung der Akupunkturnadeln wirkt die Therapiemethode nicht nur ausschließlich auf das Zielgewebe, sondern auch auf weitere Muskelgruppen und funktionell-zugeordnete Agonisten.

Die myofasziale Stoßwellentherapie

Die sogenannten Stoßwellen äußern sich in mechanisch-akustischen Druckimpulsen, welche sich durch eine kurze Impulsdauer und einen schnellen Druckanstieg auszeichnen. Die akustisch abgegebene Energie wirkt durch die Haut und das Muskel- sowie Fettgewebe, ohne dabei Verletzungen hervorzurufen. Eine Therapie wirkt vorwiegend flächig wie auch oberflächlich und wird von ausgebildetem medizinischem Personal oder Physiotherapeuten durchgeführt.

Die fokussierte Therapie mit Stoßwellen (fESWT) gilt als ärztliche Anwendung, welche akustische Schallwellen mit besonders steilem Druckanstieg nutzt. Ziel dabei ist es, tiefer liegende Gewebeschichten exakt zu erreichen. Diese Art der Triggerpunkttherapie leitet Scher-, Zug- und Druckkräfte in das betroffene Gewebe, die in Signale biochemischer Natur umgewandelt werden.

Der Wirkungsmechanismus der fESWT, auch als Mechanotransduktion bezeichnet, findet seit den 90er-Jahren erfolgreich Anwendung bei der Reduktion von Muskeltonus (Spannungszustand des Muskels). Die Behandlungsmethode hat sich in den vergangenen Jahren bei myofaszialen Beschwerden etabliert. Zu den zahlreichen Wirkungsmechanismen der Stoßwellentherapie auf das myofasziale Gewebe gehören antientzündliche Effekte, eine Reduktion der Schmerzen, antifibrotische Effekte (verhindert Gewebeveränderungen) und die Förderung von spezifischen Heilungsabläufen.

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Stoßwellentherapie darüber hinaus sich positiv auf die myofasziale Kette auswirkt. Weiterhin verursacht die Anwendung keine nozizeptiven Hautreizungen und ist besonders diagnostisch, um Triggerpunkte zielgenau zu stimulieren, geeignet.

Anwendung in der Sportmedizin

Zusammengefasst sind beide Methoden zur Diagnose des myofaszialen Syndroms mit Übertragungsschmerz und dessen Wiedererkennung sowie die Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten besonders effektiv. Die Diagnose durch Abtasten (Palpation) lässt die Methoden des Dry Needling und der Stoßwellentherapie deutlich zielgerichteter und einfacher einsetzen.

Dry Needling hat einen großen Stellenwert in der Behandlung von Schmerzbeschwerden des Bewegungsapparates und wird häufig bei myofaszialen Syndromen empfohlen. Im Sportbereich ist die Studienlage eher dünn, die bereits erfolgte Forschung ist dabei jedoch vielversprechend und weist auf eine vielseitig anwendbare Behandlungsmethode hin.

Studienlage der Triggerpunkttherapien

Eine Vielzahl an Studien belegen die Effektivität der Stoßwellentherapie zur Anwendung bei myofaszialen Schmerzen. Gleichzeitig ist die fESWT im Vergleich zu anderen physikalischen Verfahren oder einer medikamentösen Behandlung der Beschwerden deutlich nebenwirkungsärmer. Die Therapie hat einen besonderen Stellenwert als Teil eines vielfältigen Behandlungskonzeptes.

Die heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Datenlage rechtfertigen den Einsatz der beiden Therapiemethoden zur Behandlung sportbedingter myofaszialer Syndrome.

Quellen

Weiterführende Informationen