Rolfing-Therapie: Hilfe bei Haltungsproblemen und Bewegungsstörungen

Zuletzt aktualisiert am 7. Februar 2023 von Dr. med. Andrea Weidemann

Haltungsbedingte Beschwerden und Bewegungsstörungen sind weit verbreitet. Die auf Dr. Ina Rolf zurückgehende Rolfing-Therapie kann bei entsprechenden Schmerzbildern helfen. Das manuelle Verfahren nutzt ähnliche Techniken wie Tiefgewebsmassagen.

Neben der Schmerzberuhigung kann die Therapie ebenfalls Stress reduzieren und das eigene Energielevel steigern. Das Rolfing-Verfahren ist deshalb dafür bekannt, den Gesamtzustand von Patienten zu verbessern. Die Therapie ist daher holistisch (“ganzheitlich”) ausgerichtet, obwohl sie sich auf manuelle Arbeit beschränkt.

Was ist die Rolfing-Therapie?

Rolfing ist eine eingetragene Marke, die auf ihre namensgebende Schöpferin zurückgeht. Dr. Rolf (verstorben 1979) entwickelte die Therapie in den 1950er Jahren. Ihr Ziel war eine Methode zur Verbesserung der Struktur und der Funktion des menschlichen Körpers.

Sie ging dabei von der These aus, dass ein Körper in korrekter Haltung weniger Energie verbraucht und mit einer geringeren Belastung zu kämpfen hat. Der Biochemikerin schwebte dabei ein manuelles Verfahren zu, um den Körper selbst zu aktivieren.

Um eine entsprechende Therapie zu entwickeln, studierte sie viele Jahre Methoden aus den Bereichen Osteopathie, Chiropraktik und Homöopathie. Zusätzlich arbeitete sie sich in Geist-und-Körper-Disziplinen wie Yoga ein.

Ihre Therapie taufte Dr. Rolf auf den Namen “Strukturelle Integration”. Sie gründete in der US-amerikanischen Stadt Boulder zudem das “Rolf Institut für strukturelle Integration”, um ihr Verfahren auf diese Weise als Marke schützen lassen zu können. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden rund um den Globus Tochterinstitute, die sich der Weiterentwicklung und der Vermittlung der Therapie verschrieben haben.

Wie funktioniert das Verfahren?

Im Mittelpunkt der Rolfing-Therapie stehen die Faszien. Diese bilden ein Netzwerk rund um den Körper. Durch gezielten Druck auf bestimmte Punkte soll dieser von Spannung befreit werden. Schon 1988 konnte eine US-Studie die Wirksamkeit des Ansatzes für junge Männer nachweisen.

Die Untersuchung legte den Einsatz der Rolfing-Therapie für Schmerzen im unteren Rücken sowie für arbeitsbedingte Muskel- und Skeletterkrankungen nahe. Rolf selbst sprach sich dafür aus, mit den Füßen zu beginnen. Diese brächten dem Körper schließlich sein Gleichgewicht.

Moderne Forschungsarbeiten kamen allerdings zu der Erkenntnis, dass das Verfahren generell wirkt. 2009 konnte eine Studie beispielsweise beweisen, dass die Rolfing-Therapie Schmerzen im Nackenbereich und an der oberen Wirbelsäule “signifikant reduziert.”

Vereinfacht ausgedrückt: Die der Therapie zugrundeliegende Faszien-Manipulation ist stets wirksam. Noch Rolf selbst ergänzte das Verfahren um Techniken der motorischen Nach- und Neuschulungen. Der von der Spannung befreite Körper soll auf diese Weise dauerhaft Funktionalität zurückgewinnen. Er lernt die “richtigen” Bewegungen und vergisst die “falschen”.

Was sind Faszien?

“Faszien sind ein Unterstützungsorgan” – so ist ein Kapitel im Buch Rolfs über ihre Therapie betitelt. Hier führt sie außerdem aus, dass Faszien in der Medizin viel zu lange vernachlässigt worden seien. Wir müssten schließlich nicht länger das Verständnis der Körperstruktur “unserer viktorianischen Vorgänger ehren”, sondern könnten auf modernen Erkenntnissen aufbauen. Diese drehten sich eben um die Faszien.

Medizinisch gesprochen handelt es sich um Bindegewebsstrukturen. Diese umfüllen Muskeln und Organe. Sie bestehen aus unterschiedlichen Fasern und durchziehen den Körper wie ein Geflecht. Sie übernehmen unterschiedliche Aufgaben:

  1. Weiterleitung von Nervenreizen.
  2. Verbindung von Körperstrukturen, die zusammenarbeiten müssen (z.B. Muskeln).
  3. Beteiligung an der Kraftübertragung.
  4. Schutz (insbesondere von Nervenfasern).

Wir unterscheiden dazu passend vier Faszienarten:

  • oberflächlich: Beweglichkeit ist besonders wichtig
  • tief: Beteiligung an der Kraftübertragung
  • meningeal: Schutz der Nerven
  • viszeral: Übertragung der Nervenreize

Faszien sind in Schichten aufgebaut. Diese gehen nahtlos in anderes Gewebe über. Durch ihre unterschiedlichen Aufgaben hat es sich eingebürgert, vom “funktionellen Fasziensystem” zu sprechen.

Die Aufgaben der Faszien verdeutlichen zugleich auch, weshalb Rolf Ihnen eine derart große Bedeutung zugemessen hat. Nervenreize, Kraft und Beweglichkeit sind für physische Funktionalität von nicht zu überschätzender Bedeutung.

Was bewirkt die Rolfing-Therapie?

Dr. Rolf erklärt die Wirkung mit dem Verweis auf die Schwerkraft. Manche Menschen würden den “Kampf mit ihr verlieren”. Dies mache sich beispielsweise als stechender Rückenschmerz bemerkbar. Es sei deshalb wichtig, das Gleichgewicht des Körpers wiederherzustellen. Dann könne ihn die Schwerkraft ohne negative Folgen durchfließen.

Weniger kompliziert ausgedrückt geht es also darum, dass Knochen, Muskeln und Bindegewebe mit der Schwerkraft umgehen können. Der Mensch soll mit dem Boden wieder “ins Lot” kommen und geradestehen. Das zusätzliche Bewegungstraining nach der Arbeit mit den Faszien hat zudem eine psychologische Wirkung: Die Erfahrung der “richtigen” Bewegung wirkt sich positiv aufs Gemüt aus

Welche Ziele verfolgt die Rolfing-Therapie?

Diese fünf Ziele stehen zumeist im Mittelpunkt der Rolfing-Therapie – wir führen Sie nachfolgend auch noch detaillierter aus:

  • Verbesserung der Athletik
  • Erleichterung bei der Ankylose des Kiefergelenks
  • Reduktion chronischer Rückenschmerzen
  • Verbesserung der Atmung und von Asthma-Symptomen
  • Optimierung der Haltung und Unterstützung der Wirbelsäulengesundheit

Verbesserung der Athletik

Athletik ist abhängig von korrekten Bewegungsabläufen. Um diese zu erreichen, kann die Rolfing-Therapie eine entscheidende Rolle spielen. Falsche Körperhaltungen beim Sport verursachen beispielsweise Verletzungen.

Owen Marcus konnte an der Arizona State University nachweisen, dass Rolfing die Leistungsfähigkeit von Elite-Läufern verbesserte. Laut des Rolfing Instituts vertrauen sogar Gewinner von Olympischen Medaillen auf die Therapie.

Erleichterung bei der Ankylose des Kiefergelenks

TMJ ist die Kurzform für die englischen Vokabeln “Temporomandibular joint dysfunction” und beschreibt eine Ankylose des Kiefergelenks. Dabei ist das Gelenk versteift oder verwachsen. Folge ist eine schmerzhafte und chronische Einschränkung der Kieferbeweglichkeit.

Die Rolfing-Therapie hat nachgewiesen, dass sie bei diesen Beschwerden helfen kann. Sie verbessert die Beweglichkeit und reduziert den Schmerz.

Reduktion chronischer Rückenschmerzen

Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit. Rolfing löst die Faszien und gestattet es auf diese Weise der Muskulatur, sich frei zu bewegen. Insbesondere im unteren Rückenbereich reduziert das Verfahren das Schmerzgeschehen bei vielen Patienten signifikant.

Verbesserung der Atmung und von Asthma-Symptomen

Rolfing wird die Fähigkeit zugeschrieben, die Atmung zu verbessern und Asthma-Symptome abzuschwächen. Entscheidend soll hierfür sein, dass der Brustbereich durch die Therapie dazu befähigt wird, mit voller Kapazität zu arbeiten. Patienten berichten in diesem Zusammenhang, dass die Verbesserung der Atmung ihrem allgemeinen Wohlbefinden sehr helfe.

Optimierung der Haltung und Unterstützung der Wirbelsäulengesundheit

Dies klang in den vorherigen Abschnitten an: Eine der Hauptaufgaben der Therapie ist die Verbesserung der Haltung. Sie unterstützt damit wesentlich die Wirbelsäulengesundheit. Eine Studie an der Universität von Kalifornien (UCLA) hat nachgewiesen, dass dies zutrifft.

Grundlage war ein Behandlungsplan, der zehn Sitzungen zu je 45 Minuten vorsah. Die Teilnehmer absolvierten diese über einen Zeitraum von fünf Wochen. Es gab im Rahmen der Studie eine Kontrollgruppe, die deutlich geringere Verbesserungen ihrer Haltung zeigte. Eine Nachfolgestudie konnte herausarbeiten, dass sie dies ebenfalls positiv auf die Wirbelsäulengesundheit auswirkte.

Beispiel für einen Behandlungsplan einer Rolfing-Therapie

Zehn Sitzungen sind die Standardlänge für eine Rolfing-Therapie. In den oben erwähnten Studien wurde deshalb auch mit dieser Zahl gearbeitet. Fallabhängig kann es allerdings Abweichungen geben. Dies ist jedoch selten.

Sitzungen 1 bis 3

Der Fokus liegt in diesen Sitzungen auf den oberflächlichen Faszienschichten. Zudem soll die “Atmung” zwischen Armen, dem Burstkorb und den Membranen verbessert werden. Dieser Teil der Therapie wird “Öffnung” genannt.

Sitzungen 4 bis 7

Im Mittelpunkt stehen jetzt die tieferen Faszien. Zusätzlich geht es um die Organisation des Körpers um die vertikale Achse. Die Beine sind dabei eingeschlossen. Dieser Teil der Therapie trägt die Bezeichnung “Kern”, um zu verdeutlichen, dass es um die strukturelle Integrität der Basis geht.

Sitzungen 8 bis 10

Im letzten Therapieabschnitt geht es um die Ausrichtung des Körpers. In diesen Sitzungen arbeiten die Patienten mit ihrem “Rolfer” (Therapeut) daran, Balance und Flexibilität zu verbessern. Die bisher erreichten Fortschritte sollen dabei zusammengeführt werden. Dies ist der Grund, weshalb dieser Therapieabschnitt die Bezeichnung “Integration” trägt.

Die Einzelsitzungen kennen ebenfalls ein klar definiertes Programm. Hierbei hat der Rolfer allerdings eine gewisse Freiheit. Er kann eigene Schwerpunkte im Rahmen der Therapieabschnitte setzen, um den jeweiligen Patienten individuell bestmöglich zu helfen.

Mögliche Begleitmaßnahmen

Es ist möglich, die Rolfing-Therapie mit anderen Maßnahmen zu kombinieren. Parallel wird beispielsweise Yoga empfohlen. Teilweise wird sogar eine begleitende Psychotherapie empfohlen, da Schmerzen verursachende Stressoren ebenfalls beseitigt werden müssen, um eine dauerhafte Verbesserung des Zustands zu erreichen.

Mögliche Nebenwirkungen der Rolfing-Therapie

Wie bei allen Behandlungen stellt sich auch bei der Rolfing-Therapie: Gibt es Nebenwirkungen? Müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden? Beide Fragen sind zumindest teilweise zu bejahen.

Erstens ist es wichtig, dass Schmerzen vor Behandlungsbeginn eindeutig medizinisch abgeklärt sind. Es muss sicher sein, dass es keine anderen Ursachen für die Beschwerden gibt. Die Therapie ist dann möglicherweise nicht geeignet. Gleiches gilt bei Schwangerschaften, Blutgerinnungsproblemen oder psychischen Erkrankungen.

Da es sich um Körperarbeit handelt, sind Nebenwirkungen zudem nicht völlig auszuschließen. Einige Patienten können die Behandlung der Faszien als schmerzhaft empfinden. Andere berichten, dass sich die Muskulatur nach den ersten Sitzungen sauer anfühlen kann.

Es wird generell zudem empfohlen, vor und nach einer Sitzung ausreichend zu trinken. Dies hilft insbesondere gegen das Gefühl der Übersäuerung.

Quellen