Austernseitling (Pleurotus ostreatus)

Zuletzt aktualisiert am 9. Februar 2023 von Dr. med. Andrea Weidemann

Der Austernseitling wird häufig auch Austernpilz genannt. Er gehört zur Gattung der Seitlinge (Pleurotus). Hiervon leitet sich auch sein lateinischer Name Pleurotus ostreatus her, bei dem der erste Teil für die Gattung und der zweite für die Art steht. In Bezug auf die Familie gehört der Austernseitling zu den Seitlingsverwandten, die auf Latein Pleurotaceae heißen.

Aussehen

Austernseitlinge wachsen meistens als dichte Büschel auf dem jeweiligen Substrat. Im Verlauf ihrer Entwicklung weisen die Fruchtkörper zunächst die Form einer Zunge oder eines Spatels auf, erscheinen später jedoch eher muschel- oder halbkreisförmig.

Die Länge des Stiels beträgt 1 bis 4 cm.

Der Hut sitzt meist seitlich am Stiel. Sein Durchmesser beträgt 5 bis 25 cm. Bei jüngeren Exemplaren sind die Ränder nach unten hin eingerollt, bei älteren lappig eingerissen. Eine glatte, glänzende, kahle Haut bedeckt den Hut. Manchmal ist sie auch faserig und trocken. Bezüglich der Farbe existieren unterschiedliche Erscheinungsformen, von blaugrau über schiefergrau bis schwarzgrau oder von dunkelbraun bis olivbraun.

Die weißen Lamellen auf der Unterseite stehen dicht gedrängt. Sie laufen deutlich sichtbar am Stiel herab.

Jüngere Austernseitlinge haben ein weiches, weißes, in seltenen Fällen bräunliches Fleisch mit angenehmem Geruch. Bei älteren Exemplaren ist es hingegen zäh und riecht eher muffig.

Doppelgänger

Zwei Arten, welche häufig mit dem Austernseitling verwechselt werden, sind der Lungenseitling (Pleurotus pulmonarius) und der Rillstielige Seitling (Pleurotus cornucopiae). In beiden Fällen handelt es sich jedoch ebenfalls um Speisepilze.

Der Berindete Seitling (Pleurotus dryinus) ist zwar nicht giftig, aber als Speisepilz, wenn überhaupt, dann nur in jungem Zustand geeignet.

Auch beim Laubholz-Knäueling (Panus conchatus) handelt es sich um einen nicht-giftigen Doppelgänger, der jedoch aufgrund seiner ledrigen, zähen Konsistenz sowie seines bitteren Geschmacks nicht zum Speisepilz taugt.

In Bezug auf den Gelbstieligen Muschelseitling (Sarcomyxa serotina) gehen die Meinungen auseinander: Während er manchen als essbar gilt, sind andere der Meinung, er könne bei empfindlichen Personen Magen-Darm-Beschwerden hervorrufen. Darüber hinaus soll er noch weitere Giftstoffe enthalten.

Der Ohrförmige Weißseitling (Pleurocybella porrigens) steht im Verdacht, giftig zu sein und beim Verzehr durch nierenkranke Personen schon mehrfach zum Tod geführt zu haben. Inwieweit eine Gesundheitsgefährdung für nicht-nierengeschädigte Personen besteht, ist derzeit jedoch noch unklar.

Habitat

Austernseitlinge finden sich meist auf Laubbäumen, insbesondere Buchen. Hierbei agieren sie entweder als Zersetzer bereits abgestorbener Bäume oder als Parasiten von schwächelnden Bäumen. In Deutschland taucht der Pilz vor allem in Verbindung mit der Rotbuche (Fagus sylvatica) auf. Besiedelt wird meistens das Holz des Baumstammes und dickere Äste.

Klima

Die Ausbildung eines Fruchtkörpers, die sogenannte Fruktifikation, findet in Mitteleuropa erst bei Temperaturen von unter 11 °C statt. Ist der Fruchtkörper entstanden, kann er auch Frostperioden überdauern. Aus diesem Grund wird der Austernseitling hierzulande als “Winterpilz” eingestuft.

Kultivierung

Da er leicht zu kultivieren und als Speise- sowie Heilpilz sehr populär ist, hat die Kultivierung des Austernseitlings mittlerweile stark an Bedeutung gewonnen. Neben Zuchtchampignon und Shiitake gehört die Art inzwischen zu den drei bedeutendsten Kulturpilzen der Welt.

Als Substrat verwendet man oftmals Holz oder Stroh. Weil es sich um einen sehr durchsetzungsstarken Pilz handelt, wächst er jedoch auch auf organischen Abfallprodukten wie etwa Sägemehl, Kaffeesatz oder altem Zeitungspapier.

Im Handel wird der Austernseitling teilweise auch unter anderen Bezeichnungen wie beispielsweise “Kalbfleischpilz” angeboten.

Inhaltsstoffe

Vitamin B

Austernseitlinge enthalten verschiedene Arten von Vitamin B wie etwa Vitamin B1, B2, B5, B6 und B7. Diese benötigt der menschliche Organismus zur Energieerzeugung. Häufig werden sie über den Konsum von Fleisch, Fisch und Milchprodukten aufgenommen. Für Menschen, die sich vegetarisch oder sogar vegan ernähren, stellt der Austernseitling daher eine gute Möglichkeit dar, dennoch an diese sehr wichtigen Nährstoffe zu gelangen. Dasselbe gilt für laktoseintolerante Personen.

Eine besondere Bedeutung kommt Vitamin B9 zu, einem Stoff, für den häufig auch die Bezeichnung Folsäure verwendet wird. Er spielt sowohl bei der Zellteilung als auch bei der Neubildung von Zellen eine wichtige Rolle. Auch die Bildung von Blutkörperchen hängt hiervon ab. Ein weiterer möglicher Beitrag von Folsäure besteht darin, dass sie das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wie etwa Arteriosklerose zu bekommen, senken soll. Für Frauen ist Vitamin B9 bedeutsam, da es bereits vor Beginn einer Schwangerschaft die Gefahr von Früh- oder Fehlgeburten und des Auftretens von Missbildungen mindert. Frauen, die planen, schwanger zu werden, wird daher die Einnahme von 0,3 Milligramm Folsäure pro Tag empfohlen, während der Schwangerschaft sogar 0,55 Milligramm und für die Dauer des Stillens 0,45 Milligramm.

Vitamin D

Austernseitlinge enthalten zudem Vertreter der Gruppe Vitamin D. Sie wirken förderlich hinsichtlich der Aufnahme von Kalzium und Phosphaten aus dem Darm sowie deren anschließenden Einbau in den Knochen. Dadurch spielt Vitamin D eine wichtige Rolle bei der Knochenbildung. Diesbezüglich reduziert es außerdem die Gefahr, an Knochenschwund zu erkranken, einem Leiden, das auch unter dem Namen Osteoporose bekannt ist.

Ein anderer Vorgang, bei dem Vitamin D eine Rolle spielt, ist die Bildung von Proteinen und die damit verbundene Steuerung diverser Gene.

Protein

Lässt man das enthaltene Wasser unberücksichtigt, besteht diese Pilzart zu etwa 25 % aus Proteinen. Diese sind z. B. am Aufbau von Knochen und Muskeln sowie an deren Funktion beteiligt. Zudem spielen sie beim Transport von Fetten und Sauerstoff eine Rolle. Auch bei der Aufnahme des Nährstoffs Eisen sind Proteine involviert. Krankheitserreger werden mit ihrer Hilfe abgewehrt, beschädigte Zellen repariert und Bindegewebe sowie Knorpel aufgebaut. Überdies ist die Gesundheit von Finger- bzw. Fußnägeln und Haaren eng mit dem Proteinhaushalt verknüpft.

Laut aktuellem Forschungsstand sollten Menschen zwischen 19 und 65 Jahren täglich rund 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Für all jene, die das 65. Lebensjahr bereits überschritten haben, empfiehlt sich ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Noch höher ist der tägliche Bedarf bei Sportlerinnen und Sportlern: Diese sollten 1,2 bis 1,7 Gramm Protein zu sich nehmen. Insbesondere für die beiden letzten Gruppen, aber auch aus der Sicht aller anderen Menschen, stellen die proteinreichen Austernseitlinge daher ein gesundheitlich wertvolles Lebensmittel dar.

Antioxidanzien

In Austernseitlingen enthaltene Polysaccharide stellen teilweise starke Antioxidanzien dar. Konkret heißt das, sie inaktivieren sogenannte Radikale. Hierbei handelt es sich um Atome oder Moleküle mit mindestens einem ungepaarten Elektron. Enthält ein solches Radikal ein oder mehrere Sauerstoffatome, spricht man von Sauerstoffradikalen. Diese üben im menschlichen Organismus einen negativen Einfluss auf die Beschaffenheit der Zellen und ihre Funktionen aus. Diesen Zustand bezeichnet man als oxidativen Stress. Um ihm entgegenzuwirken, sind Antioxidanzien von Nöten. Oxidativer Stress wird mit einer Vielzahl an Krankheiten in Verbindung gebracht: Hierzu zählen etwa Krebs, die Alzheimer-Krankheit und Arteriosklerose.

Probiotische Wirkung

Austernseitlinge enthalten eine Vielzahl an Ballaststoffen, welche sich positiv auf die menschliche Darmflora auswirken. Sie stellt die Gesamtheit aller den Darm besiedelnden Mikroorganismen dar. Zu ihren wichtigsten Funktionen zählen Abwehr und Bekämpfung von Krankheitserregern, Unterstützung bei der Verdauung von Nahrungsmitteln, Versorgung des Organismus mit Vitaminen und Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Sobald Ballaststoffe den Dickdarm erreicht haben, dienen sie der Darmflora als Nahrung. Aufgrund ihrer diversen Funktionen ist eine gut genährte Darmflora für die menschliche Gesundheit von essenzieller Bedeutung.

Manche Mikroorganismen im menschlichen Darm wandeln Ballaststoffe in Buttersäure um. Hierauf ist die Darmschleimhaut angewiesen. Buttersäure dient diesbezüglich als Nährstoff. Eine hinreichend genährte Darmschleimhaut stellt sowohl nach innen als auch nach außen eine sehr wichtige Barriere dar: Nach innen hindert sie Mikroorganismen der Darmflora daran, in das außerhalb des Darms gelegene Gewebe vorzudringen. Dies ist von großer Bedeutung, da selbst körpereigene Mikroorganismen jenseits ihres Bestimmungsortes große gesundheitliche Schäden verursachen können. Nach außen kann die Darmschleimhaut Giftstoffe und Krankheitserreger daran hindern, in den Darm einzudringen.

Außerdem senkt Buttersäure den pH-Wert im Darm ab. Dadurch wird die Aktivität bestimmter Enzyme reduziert, welche ansonsten Stoffe bilden, die krebserregend sein können.

Ein Mangel an Buttersäure zieht hingegen negative gesundheitliche Konsequenzen nach sich: Dazu zählen beispielsweise Darmentzündungen und Darmkrebs.

Herzgesundheit

Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft halten Forscherinnen und Forscher einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Austernseitlingen und der Förderung der Herzgesundheit für möglich. Dies ist insbesondere auf die Reduktion gewisser Risikofaktoren für Herzkrankheiten wie hoher Blutdruck und zu hohe Cholesterinwerte zurückzuführen. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen sind dafür unter anderem die in Austernseitlingen enthaltenen Beta-Glucane verantwortlich. Diese werden von Bakterien im Darm zu kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt, die dabei helfen, das Vorkommen von Cholesterin im Körper zu verringern – zu diesem Ergebnis kam eine Studie aus dem Jahr 2011.

Für viele überraschend ist die Tatsache, dass Austernseitlinge über doppelt so viel Beta-Glucane als Champignons verfügen. Trotz der vielversprechenden Resultate der Forschung sind weitere Studien notwendig, um den Zusammenhang zwischen Austernseitlingen und dem positiven Effekt auf die Herzgesundheit zweifelsfrei nachzuweisen.

Blutzuckerregulation

Ebenfalls für denkbar ist eine Korrelation zwischen dem Blutzuckerspiegel und dem Konsum von Austernpilzen. Eine Studie, an der 22 Personen mit und ohne Typ-2-Diabetes teilnahmen, ergab, dass die Einnahme von Pleurotus-Ostreatus-Pulver den Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit nicht so schnell ansteigen ließ als ohne Supplementierung des Pulvers. Die Studiendesigner spekulieren, dass die Pilze den Zuckerverbrauch des Körpers erhöhen und zugleich bestimmte Proteine unterdrücken, die den Blutzuckergehalt erhöhen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7230384/ und https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25382404/).

Untermauert wird die Datenlage von einer weiteren Studie, die Nachricht, dass 3 Gramm Pulver Pleurotus Ostreatus die Aktivität eines Markers für Blutzuckerkontrolle signifikant senken.

Immunsystem

Austernpilze könnten das Immunsystem auf eine Vielzahl an Wegen unterstützen.

90 Personen, die an Herpes leiden, nahmen über einen Zeitraum von 130 Tagen eine Kombination aus Pleuran (eine Art von Beta-Glucan, welche von P. Ostreatus stammt), Vitamin C und Zink zu sich. Die Wirkstoffe sorgten für eine stärkere Verringerung der Dauer und Schwere der respiratorischen Symptome von Herpes, verglichen mit der alleinigen Zuführung von Vitamin C. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7201855/

Ferner wiesen wissenschaftliche Untersuchungen nach, dass Pleuran bei Kindern und Sportlern die Anzeichen beziehungsweise die Inzidenz von Atemwegsinfektionen senkt (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21249381/ und https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23261366/).

Quellen

Weiterführende Informationen