Zuletzt aktualisiert am 22. Februar 2023 von Dr. med. Andrea Weidemann
In den vergangen Jahren hat die transkranielle Magnetstimulation (TMS) bei der Behandlung von Depressionen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die alternative, nichtinvasive Behandlung gilt als Hoffnung für Patienten mit medikamentenresistenten Formen der Depression.
Transkranielle Magnetstimulation (TMS): einführende Erläuterungen
Bei der TMS handelt es sich um eine Methode der Hirnstimulation mithilfe einer Magnetspule, die an den Kopf gehalten wird. Bereits 1831 wurde die TMS in Großbritannien von Michael Faraday entdeckt und seitdem weiterentwickelt. Bei dem Verfahren werden schwache elektrische Ströme verursacht, die durch das schnelle Wechseln von Magnetfeldern im Gewebe entstehen. Mittels der auf diese Weise induzierten Ströme sollen Neuronen im Nervensystem sowie direkt im Gehirn stimuliert und depolarisiert werden. Obgleich das gerätegestützte, nichtinvasive Vorgehen als unangenehm empfunden werden kann, ist es richtig angewandt nahezu schmerzlos.
Hintergrund: Technische Voraussetzungen
Die TMS basiert auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion. Wird eine Magnetspule am Kopf angelegt, erzeugt sie ein kurzes Magnetfeld, wobei die Dauer zwischen 200 und 600 µs beträgt und eine magnetische Flussdichte von 3 Tesla erreicht wird. Durch den Impuls wird eine Potentialänderung der Hirnrinde ausgelöst, die wiederum zur Depolarisierung von Neuronen bei gleichzeitiger Auslösung von Aktionspotentialen führt. Trotz jahrelanger Forschung lässt sich der Wirkmechanismus der TMS bis heute nicht im Detail klären.
Generell lassen sich zwei unterschiedliche Verfahren unterscheiden. So kann die Stimulation mit einzelnen Magnetimpulsen erfolgen. Wird die Magnetstimulation jedoch in sich regelmäßig wiederholenden Intervallen durchgeführt, spricht man auch von repetitiver Magnetstimulation (rTMS). Letztere kommt insbesondere zu therapeutischen Zwecken zum Einsatz.
Nutzen und Anwendungsgebiete der transkraniellen Magnetstimulation
Die TMS wird einerseits in der physiologischen Forschung und andererseits zu Diagnosezwecken sowie als Behandlungsmethode eingesetzt. Eine wichtige Rolle spielt sie beispielsweise bei der Untersuchung kortikospinaler Bahnen, also der Großhirnrinde und des Rückenmarks.
Im Folgenden werden die Anwendungsbereiche der TMS für die Behandlung verschiedener Erkrankungen erläutert:
- Schwere Formen medikamentenresistenter Depression: TMS wird zur Behandlung von schweren Depressionen eingesetzt, insbesondere bei Patienten, die auf herkömmliche Antidepressiva nicht ansprechen. Die TMS-Stimulation bestimmter Gehirnregionen, die mit Depressionen assoziiert sind, kann die Symptome reduzieren.
- Schmerzen: TMS wird zur Behandlung von chronischen Schmerzen eingesetzt, insbesondere bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen. Die Stimulation von Gehirnregionen, die mit der Schmerzwahrnehmung verbunden sind, kann die Schmerzen lindern.
- Schlaganfall: TMS kann zur Rehabilitation nach einem Schlaganfall eingesetzt werden, um die neuronale Plastizität im betroffenen Bereich des Gehirns zu erhöhen und die motorischen Funktionen zu verbessern.
- Tinnitus: TMS kann bei der Behandlung von Tinnitus eingesetzt werden, um die Gehirnaktivität in den Regionen zu reduzieren, die mit der Wahrnehmung des Tinnitus-Sounds assoziiert sind.
- Morbus Parkinson: TMS wird als potenzielle Behandlungsmethode für Morbus Parkinson untersucht, um motorische Funktionen und das Gleichgewicht zu verbessern.
- Epilepsie: TMS kann bei der Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, insbesondere bei Patienten, bei denen Medikamente nicht wirksam sind. Die TMS-Stimulation von Gehirnregionen, die mit Anfällen assoziiert sind, kann deren Häufigkeit und Intensität reduzieren.
- Multiple Sklerose: TMS wird als potenzielle Behandlungsmethode für Multiple Sklerose untersucht, um die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern und die Symptome zu reduzieren.
- Migräne: TMS wird bei der Behandlung von Migräne eingesetzt, insbesondere bei Patienten, die nicht auf Medikamente ansprechen. Die TMS-Stimulation von Gehirnregionen, die mit Migräne assoziiert sind, kann die Häufigkeit und Intensität von Migräneanfällen reduzieren.
- Alzheimer-Krankheit: TMS wird als potenzielle Behandlungsmethode für die Alzheimer-Krankheit untersucht, um die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
- Einige Formen von Schizophrenie: TMS wird bei einigen Formen von Schizophrenie eingesetzt, um die kognitive Funktion und die negativen Symptome zu verbessern.
- Medikamentenresistente Formen affektiver Störungen: TMS wird bei medikamentenresistenten Formen von affektiven Störungen eingesetzt, um die Symptome zu reduzieren und die Stimmung zu verbessern.
Transkranielle Magnetstimulation : Therapieaussichten bei Depressionen
Erstmals wurde 1993 in der Wissenschaft vorgeschlagen, TMS auch bei Patienten mit schweren Depressionen einzusetzen. Seither sind zahlreiche Studien weltweit durchgeführt worden, die die Wirksamkeit von TMS in diesem Bereich belegen. Nach einer großangelegten Studie im Jahr 2007, wurde die TMS im Folgejahr schließlich in den USA als Behandlungsmethode zugelassen. In der Forschung geht man davon aus, dass der antidepressive Effekt der TMS durch die Anregung des Energiestoffwechsels der Nervenzellen erzielt wird. Für die Behandlung von Depressionen ist die Therapie von enormer Bedeutung, da etwa 30 Prozent der Patienten weder auf eine Psychotherapie noch auf eine medikamentöse Behandlung ansprechen. Als alternatives Verfahren gilt die TMS als besonders schonend, sodass keine Narkose erforderlich ist. Auch wird sie im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren als besonders sanft eingestuft, da beispielsweise kein Krampfanfall ausgelöst wird.
Nach derzeitigem Forschungsstand wird eine Therapie von mindestens drei bis fünf Wochen empfohlen, wobei eine tägliche Behandlungseinheit von je einer Stunde vorgesehen ist. Sollten Patienten gleichzeitig medikamentös eingestellt sein oder sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden, können diese Maßnahmen begleitend fortgesetzt werden.
Angesichts des innovativen Charakters des therapeutischen Verfahrens sind die Studien zu Nebenwirkungen der Methode derzeit noch rar. Einige Patienten geben an, im Anschluss an eine Behandlungseinheit Kopfschmerzen zu haben, die jedoch nach einigen Stunden wieder abklingen. Außerdem wurden bei Patienten mit einer bestimmten Prädisposition epileptische Anfälle beobachtet.
Neuere Studien und Ausblick
Seit nunmehr zehn Jahren gilt die TMS offiziell als erfolgreiches Therapieverfahren bei medikamentenresistenten Formen der Depression. Seitdem hat die Forschung weitere Ergebnisse zur Wirksamkeit der Methode bei Depressionen veröffentlicht. Mittlerweile ist die TMS in einer Vielzahl von Studien in unterschiedlichen Varianten getestet worden. So wurden unter anderem die Impulsfrequenz und -intensität variiert. Zudem wurde versucht, die optimale Behandlungsdauer mithilfe von Erfahrungswerten anzupassen. Auch wurde die Effizienz der TMS bei Depressionen im Rahmen bipolarer Störungen nachgewiesen. Analysiert wird weiterhin, welche Anlegeposition für die Behandlung am günstigsten ist. In den vergangenen Jahren wurde außerdem geprüft, inwiefern sich andere Behandlungsmethoden erfolgreich mit der TMS kombinieren lassen.
Trotz der intensiven Forschung sind jedoch noch zahlreiche Fragen offen, sodass die Wissenschaft in dem genannten Bereich nicht stillsteht. Dementsprechend ist in den folgenden Jahren mit einer Optimierung des Verfahrens zu rechnen.
Weblinks
- Transkranielle Magnetstimulation https://de.wikipedia.org/wiki/Transkranielle_Magnetstimulation
- Depression – Was ist eine repetitive Transkranielle Magnetstimulation? https://www.patienten-information.de/patientenblaetter/depression-rtms
Quellen
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