Glycin

Zuletzt aktualisiert am 17. Februar 2023 von Dr. med. Andrea Weidemann

Die Aminosäure Glycin ist lebenswichtig und hat zahlreiche Funktionen im menschlichen Körper. Eine erhöhte Zufuhr in Form einer Nahrungsergänzung ist dennoch nur in seltenen Fällen erforderlich.

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Glycin ist nicht-essenziell
  • kleinste und einfachste Alpha-Aminosäure
  • Bestandteil von Kollagenen, Blutfarbstoff und Erbgut
  • wichtig für Leber, Stoffwechsel, Nerven und Muskulatur
  • Baustein für Zähne, Knochen, Sehnen, Haut und Bindegewebe
  • beliebter Geschmacksverstärker
  • kann vom Körper selbst gebildet werden
  • kommt in nahezu allen eiweißreichen Lebensmitteln vor
  • Mangel ist selten, aber möglich

Was ist Glycin?

Glycin ist eine nicht-essenzielle Aminosäure. Das bedeutet, dass der Körper sie selbst bilden kann. Dafür notwendig sind Serin und Threonin.

Die Aufnahme über die Nahrung ist daher im Normalfall nicht zwingend erforderlich. Aufgrund der weiten Verbreitung von Glycin in tierischen und pflanzlichen, eiweißhaltigen Lebensmitteln ist die Aufnahme von Glycin bei einer ausgewogenen Ernährung allerdings in jedem Fall gegeben.

Eine erhöhte Zufuhr der wichtigen Aminosäure kann allerdings notwendig werden, wenn gesundheitliche Einschränkungen bestehen und sich daraus ein Mangel ergibt. Dies tritt selten auf, ist jedoch möglich.

Funktionen von Glycin im menschlichen Körper

Die Aminosäure Glycin erfüllt im menschlichen Körper zahlreiche Funktionen. Glycin ist ein Bestandteil der DNA und damit maßgeblich an Gesundheit und Fortpflanzung in jeder Hinsicht beteiligt.

Es ist zudem wichtig für Kollagen und Hämoglobin.

Kollagen spielt eine entscheidende Rolle für das Bindegewebe, die Haut, Knochen, Zähne und Sehnen sowie Blutgefäße. Bei einem Mangel zeigen sich daher Probleme in diesen Bereichen.

Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff, der sich für den Sauerstofftransport verantwortlich zeigt. Sind die Werte zu niedrig, äußert sich das nicht nur in blasser Haut. Ein Mangel wirkt sich stattdessen erheblich auf das Wohlbefinden und die gesamte Gesundheit aus.

Glycin: wichtig für Leberfunktion und Stoffwechsel

Die Aufgabe der Leber ist unter anderem die Entgiftung des Blutes. Glycin hilft dabei, diese Entgiftungsfunktion aufrecht zu erhalten und spielt dadurch eine Rolle für Wohlbefinden und Stoffwechsel.

Auf den Stoffwechsel hat die Aminosäure auch in anderer Hinsicht Einfluss. Das lebenswichtige Glycin kann den Blutzucker regulieren. Aus diesem Grund rückt es in den Fokus der Diabetesforschung und -prävention.

Eine weitere Funktion in Bezug auf den Stoffwechsel ist der Abbau von Fett. Es wirkt sich damit positiv auf die Vermeidung von Übergewicht aus.

Die Auswirkung von Glycin auf Muskulatur und Nerven

Glycin ist an der Bildung des Wachstumshormons HGH (Human Growth Hormon) beteiligt und soll sich daher sowohl auf den Muskelaufbau als auch auf die -regeneration positiv auswirken können. Da es zudem in Glucose umgewandelt werden kann, stellt es ebenso Energie bereit. Aus diesem Grund ist es gleich aus mehreren Gründen entscheidend für die Leistungsfähigkeit der Muskeln.

Die Beteiligung an der Synthese von HGH hat wiederum einen Einfluss auf die gesamte Regeneration des Organismus und auf das Gewicht. Denn das Hormon soll fettabbauend sein und damit regulierend wirken können.

Im Nervensystem hat Glycin vor allem einen hemmenden – also beruhigenden – Effekt. Dies ist ebenso wie bei der Muskulatur entscheidend für Kontrolle und Funktion.

Glycin und Psyche

Als Neurotransmitter hemmt Glycin einige Prozesse. Was zunächst negativ klingt, ist ausschlaggebend für erholsamen Schlaf und innere Ruhe. Zudem hängen Konzentration und Gedächtnisleistung davon ab.

Dementsprechend soll die Aminosäure positive Auswirkungen haben, wenn Schlafprobleme oder Panikattacken bestehen. Ein kognitiver Leistungsabfall soll sich damit ebenfalls verbessern lassen.

Funktion von Glycin für das Immunsystem

Die Aminosäure ist ein Baustein von Antikörpern, also der Immunantwort auf Krankheitserreger. Es kann das Immunsystem stabilisieren und damit Infektionen vorbeugen oder zu einem schnellen Heilen beitragen.

Natürliches Vorkommen von Glycin

Neben der körpereigenen Synthese der Aminosäure Glycin findet sich die lebenswichtige Substanz auch in zahlreichen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Der Höchstwert wird bei Gelatine erreicht. Aus dieser wurde Glycin im Jahr 1820 erstmals gewonnen.

Ebenfalls gute Werte weisen die folgenden Nahrungsmittel auf:

  • Erbsen
  • Erdnüsse
  • Forelle
  • Linsen
  • Makrele
  • Rindfleisch
  • Sojabohnen
  • Thunfisch

Obwohl vor allem Fisch einen hohen Gehalt aufweist, ist es mit Hülsenfrüchten ebenfalls problemlos möglich, den Glycin-Anteil der Nahrung gezielt zu erhöhen.

Glycin als Geschmacksverstärker

Körpereigene Synthese, Nahrung und sogar Fertiggerichte oder verarbeitete Lebensmittel stellen Glycin-Quellen dar. Aufgrund seines süßen Geschmacks wird die Aminosäure als Geschmacksverstärker mit der Bezeichnung E 640 eingesetzt.

Eine Regulierung der einsetzbaren Menge gibt es hierbei nicht.

Wie äußert sich ein Glycin-Mangel?

Aufgrund der umfassenden Funktionen und Bereiche, an denen die Aminosäure beteiligt ist, sind die Symptome bei einem Glycin-Mangel ebenso vielseitig und unterschiedlich. Bei den Anzeichen für eine Unterversorgung kann es sich um die folgenden Probleme und Beschwerden handeln:

  • Abgeschlagenheit und Erschöpfung
  • Atemwegsbeschwerden
  • eingeschränkte Leberfunktion
  • erhöhte Infektanfälligkeit
  • innere Unruhe
  • Konzentrationsschwäche
  • Müdigkeit
  • Muskelkrämpfe
  • nachlassende Gedächtnisleistung
  • neurologische Beeinträchtigungen
  • Schlafstörungen
  • schwächer werdendes Bindegewebe

Auch wenn alle Symptome gleichzeitig auftreten, ist damit noch kein Defizit an Glycin nachgewiesen. Die Anzeichen lassen sich auf eine Vielzahl von potenziellen Auslösern zurückführen und ohne entsprechende Untersuchungen nicht eindeutig zuordnen. Daher ist in diesen Fällen immer ein Arztbesuch zur Abklärung angeraten.

Risikofaktoren für Glycin-Mangel

Die Risikofaktoren und -gruppen lassen sich in fünf Kategorien unterteilen:

  • erhöhter Bedarf beispielsweise bei Sportlern
  • anhaltende Infektionen
  • chronische Erkrankungen
  • einseitige Ernährung oder Mangelernährung
  • angeborene Störung des Stoffwechsels und der Aminosäure-Synthese

Bei einem erhöhten Bedarf und zugleich nicht angepasster Aufnahme oder Produktion stellt sich unweigerlich ein Mangel ein. Bei anhaltenden Infektionen und chronischen Erkrankungen kann dies ebenfalls eine Rolle spielen. Die Produktion reicht dann nicht mehr für den Verbrauch der Aminosäure aus.

Crash-Diäten, zu langes Fasten oder Essstörungen können ebenfalls dazu führen, dass zum einen die körpereigene Synthese eingeschränkt ist und zum anderen die Aufnahme aus der Nahrung zu gering ausfällt oder gar nicht stattfindet.

Bei einer angeborenen Störung muss von Anfang an ein entsprechender Ausgleich erfolgen, der sich meist nur über entsprechende Mittel sicherstellen lässt.

Wie lässt sich ein Glycin-Mangel ausgleichen?

Wie der Ausgleich eines Glycin-Mangels erfolgen kann, ist in erster Linie von der Ausprägung und der Ursache abhängig.

Leichte Mängel können in der Regel durch einen ausgewogenen Speiseplan ausgeglichen werden. Stärkere und krankheitsbedingte Defizite bedürfen einer ärztlichen Behandlung und einer gezielten Zufuhr.

Ausgleich durch Ernährung

Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchte, Käse und Gelatine stellen gute Quellen für Glycin dar. In einem ausgewogenen Speiseplan finden sich daher in der Regel ausreichend Lebensmittel mit einem hohen Gehalt der Aminosäure.

Auch wer vegan lebt, kann durch Hülsenfrüchte wie Erdnüsse, Linsen und Erbsen die Versorgung über die Nahrung sicherstellen.

Das gilt allerdings nur dann, wenn die Aufnahme über den Verdauungstrakt nicht gestört ist.

Nahrungsergänzungsmittel

Glycin findet sich in Kombination mit anderen Aminosäuren und Vitalstoffen ebenso wie in reiner Form. Reicht die Ernährung allein nicht für die Versorgung aus, können Nahrungsergänzungsmittel eine optimale Hilfe darstellen.

Vor allem bei Menschen mit einem sehr hohen Bedarf sind sie sinnvoll.

Wann ist ein Arztbesuch nötig?

Bei Symptomen mit unklarer Ursache sollte immer ein Arzt aufgesucht werden. Besteht ein ernährungsbedingter Mangel, bezieht sich dieser in der Regel nicht allein auf die Aminosäure Glycin.

Durch Untersuchungen ist zunächst festzustellen, welche Defizite vorliegen und in welchem Ausmaß die Unterversorgung besteht. Zudem muss der Auslöser gefunden werden.

Durch die gezielte und meist hochdosierte Zufuhr wird es möglich, einen schnellen Ausgleich zu schaffen. Das gilt auch dann, wenn die Versorgung über die Ernährung allein nicht ausreicht oder aufgrund von Störungen im Verdauungstrakt beziehungsweise des Stoffwechsels nicht möglich ist.

Wie sollte Glycin dosiert werden?

Von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung finden sich hierzu keine Vorgaben oder Empfehlungen.

Bei einem ausgeprägten Mangel muss die Dosis von einem Arzt festgelegt werden, um die ausreichende Versorgung und den gezielten Ausgleich sicherzustellen.

Die Empfehlungen reichen hierbei von einem bis hin zu zehn Gramm pro Tag.

Sind Überdosierungen mit Glycin möglich?

Bisher gilt, dass Glycin keine Nebenwirkungen hat und auch nicht überdosiert werden kann. Da es zum einen in größeren Mengen in der Nahrung vorkommt und zum anderen vom Körper selbst synthetisiert wird, verfügt der Organismus über eine gute Regulierung.

Bei einem Überschuss kann die Aminosäure an andere Stoffe gebunden und über die Nieren ausgeschieden werden.

Voraussetzung hierfür sind zum einen eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und zum anderen eine uneingeschränkte Nierenfunktion.

In welchen Darreichungsformen findet sich Glycin als Nahrungsergänzungsmittel?

Wer sich für Glycin als Nahrungsergänzungsmittel entscheidet, hat dabei die Freiheit der Wahl. Pulver, Kapseln und Tabletten sind erhältlich. Zudem kann Glycin in einem Komplex oder einzeln zugeführt werden.

Glycin-Aufnahme und Wirkungsverbesserung

Die Aminosäure Glycin durch Nahrungsergänzungsmittel kann zum einen auf nüchternen Magen erfolgen. Zum anderen lässt sich eine Verstärkung der Wirkung zumindest in Hinblick auf den Blutzucker erzielen, wenn zugleich Kohlenhydrate verzehrt werden.

Die Angaben des Herstellers sind zu berücksichtigen.

Glycin – eine kleine Aminosäure mit großer Wirkung

Obwohl Glycin vielen Menschen unbekannt ist, spielt die Aminosäure dennoch eine entscheidende Rolle in vielen Bereichen. Das fällt vor allem dann auf, wenn ein Mangel besteht oder die Aufnahme gezielt gesteigert wird.

Zum Einsatz kommt Glycin beispielsweise bei Schlafstörungen, aber auch Sportler mit hohen Ansprüchen führen die Aminosäure gezielt zu, um ihre Leistung zu verbessern und sowohl den Aufbau als auch die Regeneration der Muskulatur zu optimieren.

Zudem kommt Glycin verstärkt bei der Behandlung von Angst und Panikattacken zum Einsatz.

Eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder medizinischem Fachpersonal sollte in jedem Fall erfolgen, um Sicherheit zu gewährleisten und eine gezielte Therapie zu ermöglichen. Aufgrund der fehlenden Nebenwirkungen bietet Glycin ohnehin ein hohes Maß an Schutz. Durch individuelle Besonderheiten ist dies allerdings nicht automatisch bei jedem Menschen gegeben.

Weiterführende Informationen

Quellen