Die Vagusnervstimulation – selten genutzte Alternative bei behandlungsresistenter Depression

Zuletzt aktualisiert am 27. Februar 2023 von Dr. med. Andrea Weidemann

Die Vagusnervstimulation (VNS) gilt als eine teure und nur mäßig erfolgreiche Behandlung gegen Depression. Dennoch kann sie bei sonstiger Behandlungsresistenz für einige Patienten von großem Nutzen sein.

Die Vagusnervstimulation (VNS) ist eine neurologische Therapie, die zur Behandlung von bestimmten Erkrankungen wie Epilepsie, Depressionen und Migräne eingesetzt wird. Im Folgenden sind die wichtigsten Informationen über die VNS in Stichpunkten aufgeführt:

  • Die Vagusnervstimulation ist ein invasives Verfahren, das eine dauerhafte Implantation eines Geräts erfordert, das ähnlich einem Herzschrittmacher funktioniert. Das Gerät wird unter der Haut in der Brust eingesetzt und über Elektroden, die am Vagusnerv befestigt sind, elektrische Signale an das Gehirn senden.
  • Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv im Körper, der vom Gehirn zum Herzen, Lunge, Magen und anderen inneren Organen verläuft. Die VNS nutzt die Stimulation dieses Nervs, um neurologische und psychologische Zustände zu beeinflussen.
  • Die VNS kann zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, insbesondere bei Patienten, die nicht auf Medikamente ansprechen. Die Stimulation des Vagusnervs kann die Häufigkeit und Schwere von Anfällen reduzieren.
  • Die VNS wird auch zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Es wird angenommen, dass die Stimulation des Vagusnervs die Freisetzung von Serotonin und anderen Neurotransmittern erhöht, was zu einer Verbesserung der Stimmung führen kann.
  • Weitere Anwendungsbereiche der VNS umfassen die Behandlung von Angststörungen, bipolaren Störungen, Migräne, Schizophrenie und Essstörungen.
  • Die VNS ist eine sichere und gut verträgliche Therapie, obwohl es wie bei jeder invasiven Methode auch Risiken und Komplikationen gibt. Mögliche Nebenwirkungen der VNS können Stimulations-induzierte Husten, Heiserkeit, Schmerzen im Halsbereich und Übelkeit sein.
  • Die VNS wird von vielen Versicherungen abgedeckt, aber die Kosten können sehr hoch sein. Die Behandlung erfordert in der Regel eine langfristige Verpflichtung, da das Implantat regelmäßig gewartet und die Batterie alle paar Jahre ausgetauscht werden muss.
  • Obwohl die VNS als sichere und effektive Therapie angesehen wird, sollte sie nicht als erste Wahl zur Behandlung von neurologischen und psychologischen Erkrankungen betrachtet werden. In der Regel werden Medikamente und Psychotherapie bevorzugt und die VNS als letzte Option in Betracht gezogen.

Vagusnervstimulation: Einführendes zur Funktionsweise

Bei der VNS wird in der Regel mittels eines Implantats der Vagusnerv stimuliert. Hierbei handelt es sich um einen der zwölf Hirnnerven, der für mehrere Organe, wie zum Beispiel Herz und Lunge, verantwortlich ist. Für die traditionelle Form der VNS ist eine Operation unumgänglich. Hierbei wird eine Elektrode am Hals eingesetzt. Diese ist mittels eines Drahts mit dem Nerv verbunden. In Achselnähe wird subkutan ein Impulsgeber angebracht, der im Drei- bis Fünf-Minuten-Takt 30 Sekunden lang Impulse aussendet. Durch diese Stimulation wird ein Signal an das limbische Zentrum gesendet, diejenige Funktionseinheit des Gehirns, die für die Emotionsregulierung verantwortlich ist. Das Gerät kann über die Haut programmiert werden. So können Patienten die Stimulation zum Beispiel auch für einen gewissen Zeitraum ausschalten, wenn diese vorübergehend zu unangenehm erscheint. Dennoch ist bei der VNS prinzipiell eine kontinuierliche Stimulation vorgesehen.

Hintergrund

Ursprünglich war das Therapieverfahren als Behandlungsmethode für Epilepsiepatienten vorgesehen. Die Ärzte bemerkten jedoch einen positiven Nebeneffekt auf die Stimmung der Patienten. Anschließende Studien bestätigten die antidepressive Wirkung, sodass die Methode bei behandlungsresistenten und chronischen Formen der Depression zugelassen wurde. Jedoch wird die VNS nur selten als alternative Therapie gewählt, da die Kosten für die Elektrode bei ca. 15.000 Euro liegen. Zudem sind mehrere Operationen nötig, denn die Batterie muss von Zeit zu Zeit gewechselt werden. Sollte eine VNS aus medizinischen Gründen dringend notwendig sein, übernehmen die Krankenkassen die Kosten.

Vagusnervstimulation: Therapieaussichten bei Depressionen

Studien zur Wirksamkeit der VNS kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. In einer Pilotstudie um die Jahrtausendwende wurden 59 Patienten mit schweren, aber nicht atypischen Formen der Depression zehn Wochen lang begleitet. 31 Prozent der Probanden sprachen positiv auf die Behandlung an, wobei die Stimmungsaufhellung im Zusammenhang mit einer grundlegenden Verbesserung der Lebensqualität gesehen wurde. Auch in einer weiteren Studie, die mit 78 Patienten über zehn Wochen lang durchgeführt wurde, waren die Ergebnisse ähnlich: hier wurde eine positive Wirkung bei 38 Prozent konstatiert. Im Rahmen einer weiteren Untersuchungsreihe, bei der es auch eine Kontrollgruppe gab, die eine nicht aktivierte Elektrode bekommen hatte, zeigte sich in Bezug auf die wahrgenommene Effektivität nach zehn Wochen nur ein geringfügiger Unterschied zwischen beiden Gruppen. Nach weiteren Monaten stieg die Wirksamkeit der VNS jedoch an. In folgenden, zum Teil groß angelegten Studien wurde ebenfalls demonstriert, dass die Wirksamkeit mit der Dauer der Behandlung zunimmt. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass der antidepressive Effekt erst nach etwa 9 bis 15 Monaten einsetzt.

Mögliche Nebenwirkungen

Obschon die Behandlung nicht komplett nebenwirkungsfrei verläuft, so lässt sich doch konstatieren, dass die unerwünschten Effekte relativ schwach ausfallen und VNS als gut verträglich einzustufen ist. Allerdings treten – wie häufig nach Operationen – im Bereich der Narben Schmerzen auf. Ernsthafte Komplikationen sind jedoch selten.

Durch die kontinuierliche Stimulation an sich treten weitere Nebenwirkungen auf, wie zum Beispiel Heiserkeit, Halsschmerzen, Hustenreiz oder eine Veränderung der Stimme. Im Laufe der Zeit lassen diese unangenehmen, jedoch kaum gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen meist wieder nach.

Innovative Alternative: transkutane Vagusnervstimulation

Seit dem Jahr 2010 ist in der Europäischen Union die so genannte transkutane Vagusnervstimulation (tVNS) zugelassen. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass hier keine Operation erfolgen muss. Da der Vagusnerv an der Ohrmuschel entlang verläuft, wird versucht, den Nerv durch die Haut hindurch am Ohr zu stimulieren. Die Elektrode ähnelt einem gewöhnlichen Ohrkopfhörer. Verbunden ist diese Elektrode mit einem knapp handgroßen Stimulator, der elektrische Impulse erzeugt. Die Patienten spüren lediglich ein Kribbeln oder Pulsieren im Ohr. Ein weiterer positiver Aspekt der tVNS ist, dass die Stimulation vom Patienten selbst durchgeführt werden kann. Nachteile werden jedoch im Bereich der Wirksamkeit im Vergleich zur traditionellen VNS beobachtet.

Fazit zur Vagusnervstimulation

Die Vagusnervstimulation (VNS) ist eine invasivere Therapie, die zur Behandlung von Epilepsie, Depressionen und anderen neurologischen und psychologischen Erkrankungen eingesetzt wird. Die VNS nutzt die Stimulation des Vagusnervs, um elektrische Signale an das Gehirn zu senden, die die Häufigkeit und Schwere von Anfällen reduzieren, die Stimmung verbessern und andere Symptome lindern können.

Obwohl die Vagusnervstimulation eine wirksame Therapieoption ist, hat sie auch einige Einschränkungen. Zum einen ist es eine invasivere Methode, die ein Implantat erfordert, was sowohl mit Risiken als auch höheren Kosten verbunden sein kann. Zum anderen ist die VNS in der Regel eine Option, die erst dann in Betracht gezogen wird, wenn andere Therapien nicht ausreichend wirksam sind.

Insgesamt ist die Vagusnervstimulation eine sichere und gut verträgliche Therapieoption, die vielen Menschen mit Epilepsie, Depressionen und anderen neurologischen und psychologischen Erkrankungen geholfen hat. Bei der Entscheidung, ob die Vagusnervstimulation die richtige Option ist, ist es jedoch wichtig, die potenziellen Risiken und Vorteile sorgfältig abzuwägen und sich von einem qualifizierten Arzt beraten zu lassen.

Quellen