Depression: So können Angehörige helfen

Zuletzt aktualisiert am 7. Februar 2023 von Dr. med. Andrea Weidemann

Wenn der Partner, ein Familienmitglied oder guter Freund an Depressionen erkrankt ist, fühlt man sich als “Zuschauer” meist hilflos. Vielfach reißt es einen selbst runter. Betroffene fühlen sich oft ausgegrenzt und missverstanden. Vielfach verschlimmern sich dadurch Depressionen weiter, wenn sich Freunde und Familie distanzieren, weil sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Das alles muss nicht sein, denn Du kannst einiges tun, um zu helfen und zu unterstützen. Wichtig ist dabei, dass Du die richtigen Worte sprichst und Deine Taten der Situation optimal anpasst. Einige wertvolle Tipps werden Dir den optimalen Umgang mit dem Erkrankten ebenso erleichtern wie diesem helfen.

 

Akzeptanz der Erkrankung

Wie oft werden Depressionen damit abgetan, dass jeder mal traurig ist und sich abgeschlagen fühlt? Da kommt jeder raus, wenn er nur will. So einfach ist dies aber bei richtigen Depressionen nicht. Die Erkrankung ist nicht umsonst bei den Krankenkassen und medizinischen Diensten anerkannt.

Das Gefühl von Trauer, Wut, Angst und vieles mehr, steckt so tief, dass Betroffene hier eigenständig nur schwer bis gar nicht ohne professionelle Hilfe wieder herausfinden. Ein bloßes Abtun mit Worten wie “Stell Dich nicht so an” oder “Denk einfach positiv” können Depressionen eher verschlimmern, als helfen. Schuldgefühle und ein weiteres Absinken sind oft die Folge derartiger “Floskeln”.

Wenn Du Depressionen als ernst zu nehmende Erkrankung akzeptierst und erkennst, dass dies nicht nur eine oberflächliche Phase darstellt, die jeder selbst wieder in den Griff bekommen kann, ist der erste Schritt zur Unterstützung depressiver Menschen getan.

Zuerst Depressionen erkennen, um helfen zu können

Um helfen zu können, musst Du erste Anzeichen von Depressionen richtig deuten können. Wenn Du Veränderungen an jemandem wahrnimmst, wie folgend beschrieben, könnte es sich um eine Depressiv-Erkrankung handeln:

  • Abnehmendes Interesse an beispielsweise Sex, Hobbys, sozialen Kontakten oder generell Spaß und Unterhaltung
  • Spricht plötzlich vermehrt über Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit
  • Verschließt sich immer mehr und nimmt Termine nicht wahr oder sagt meist alle Verabredungen ab
  • Zeigt sich pessimistisch und kritisiert vermehrt andere oder Vorkommnisse
  • Klagt öfter über Schmerzen wie Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen
  • Äußert oft Müdigkeit und wirkt abgeschlagen
  • Schläft entweder ungewöhnlich viel oder deutlich weniger, als sonst (macht übermüdeten Eindruck)
  • Verändertes Essverhalten mit sichtbarer Gewichtsabnahme oder Gewichtszunahme
  • Trinkt außergewöhnlich viel Alkohol oder nimmt Drogen, viele Schlaf- und/oder Schmerztabletten
  • Bringt Ausreden vor, um keinen Besuch zu erhalten und allein sein zu können
  • Unordnung in einem ansonsten ordentlichen Haushalt macht sich breit

 

Sich der Wahrheit stellen, anstatt sie zu verdrängen

Zählst Du zu den Menschen, die glauben, dass Probleme nicht existieren oder nur halb so schlimm sind, wenn man nicht darüber spricht? Im Umgang mit einem depressiven Menschen wäre dies nicht hilfreich. Depressive Menschen brauchen Hilfe. Sie schreien auch ohne Worte unbewusst aus dem Tiefsten ihres Inneren danach und wissen es meist nicht mal.

Trittst Du einem Betroffenen gegenüber und behandelst ihn wie einen gesunden Menschen, kannst Du viele Fehler machen. Diese sind Dir in der Regel nicht bewusst, wenn Du auf die bestehende Erkrankung mit Verdrängung reagierst.

Meidest Du das Thema, obwohl Du weißt, dass es der betroffenen Person gerade sehr schlecht geht, kannst Du damit unter Umständen das Krankheitsbild der Person verschlechtern. Nicht selten fühlen sich Betroffene nicht wichtig genug, um auf ihre Probleme angesprochen zu werden. Ihr Selbstwertgefühl sinkt und Depressionen können sich verschlimmern.

Vielleicht mag ein Betroffener nicht gleich über seine Erkrankung sprechen. Vielleicht verdrängt er auch selbst die Erkrankung. In beiden Fällen ist es wichtig, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen, denn nur dann kannst Du helfen und dem Betroffenen geholfen werden.

 

Bewege die betroffene Person zur Annahme professioneller Hilfe

Vielfach erkennen depressive Menschen im Anfangsstadium gar nicht, dass es nicht einfach eine von selbst vorübergehende Phase ist. Zudem fällt es Betroffenen meist schwer, zuzugeben, an Depressionen erkrankt zu sein. Mit dem Weg zum Arzt wird es offiziell. Deshalb scheuen viele den Arzt- oder Therapeutenbesuch.

Hier solltest Du unterstützend auf die betroffene Person einwirken, wenn die Niedergeschlagenheit länger als zwei Wochen anhält. Es gibt zahlreiche Therapeuten, die sich auf Depressionen spezialisiert haben. Psychologen sind ebenfalls geeignet. Auch der Hausarzt kann weiterhelfen, selbst wenn er nur eine Erstbehandlung vornimmt und an einen Spezialisten überweist.

Wenn Du die betroffene Person dazu bringst, erste Hilfe anzunehmen, ist die Chance deutlich größer, sich professionell weiterhelfen zu lassen und im Idealfall die Depression zu besiegen.

Der richtige Umgang mit Ablehnungen

Während schlechter Depressionsphasen ziehen sich Betroffene meist zurück, bevorzugen das Alleinsein und lassen sich zu keiner Unternehmung überreden. Dies solltest Du nicht persönlich nehmen, denn hier “spricht” nicht Dein Partner, Freund oder Bruder, sondern die dunkle Tiefe der Depression.

Diese hat in derartigen Phasen depressive Menschen fest im Griff. Kleinste Tätigkeiten erscheinen wie unüberbrückbare Hindernisse. Meist wird dies von Schuldgefühlen begleitet, weil man nicht so funktioniert, wie erwünscht und es “normal” wäre. Ein Rückzug ist die Folge, die nichts mit Dir persönlich zu tun hat.

Verstehen musst Du dabei, dass depressiv Kranke nicht mehr den bisher gewohnten Alltag haben. Alles läuft anders. Stelle Dir vor, Du brichst Dir ein Bein und kannst kein Auto fahren. So ähnlich läuft es bei an Depressionen erkrankte Menschen in Bezug auf den Alltag ab. Nur geht es hierbei um eine gebrochene Seele.

 

Weniger theoretische Ratschläge – mehr praktische Hilfe

Vielleicht denkst Du, mit guten Ratschlägen helfen zu können. Aber Tatsache ist, dass Ratschläge wie “Beschäftige Dich oder kaufe Dir was Schönes, das bringt Dich auf andere Gedanken” nicht hilfreich sind. Vermutlich teilen viele Betroffene Deine Meinung und würden gern Deinem Ratschlag folgen, aber die Depression hindert sie daran. Somit werden Ratschläge nicht nur wertlos. Sie sorgen für Momente, in denen Betroffenen ihre Depressionen deutlicher spüren. Dies führt meist zu einer Verschlimmerung.Lasse gut gemeinte Ratschläge weg und ersetze sie durch Angebote von Hilfe und Unterstützung. Mache verständlich, dass Du da bist, wenn Deine Hilfe benötigt und gewünscht wird. Dies sollte nicht in einer aufdringlichen Art geschehen. Es ist hilfreich, wenn der betroffene Mensch weiß, dass er auf Dich zählen kann, ohne dass Du die Erkrankung oder Verhaltensmuster wertest oder so tust, als würdest Du ihn verstehen.

Wichtig ist hierbei, dass Du das Versprechen der Hilfe auch einhältst und wirklich da bist. Ansonsten könnten erkrankte Menschen tiefer in ihre Depressionen fallen, weil sie damit bestärkt würden, nichts wert zu sein.

 

Selbstmordgedanken ernst nehmen

Laut Statistiken nehmen sich jedes Jahr durchschnittlich 13 pro 100.000 Einwohnern in Deutschland das Leben. Fast immer sind Depressionen daran beteiligt. Manche sprechen über ihre Suizidgedanken, während andere es für sich behalten und/oder sich spontan zu diesem Schritt entschließen. Dann gibt es noch diejenigen, die Selbstmordabsichten äußern, aber es letztendlich nicht durchführen.Zu welcher Kategorie Dein depressiver Lebenspartner, Freund oder Sohn zählt, wirst Du erst erfahren, wenn es vielleicht schon zu spät ist. Niemand weiß dies im Vorfeld, vielfach nicht mal der Betroffene selbst, bis er es ausführt oder sich (erst einmal) davon distanziert.

Deshalb ist es enorm wichtig, dass Du Selbstmordgedanken immer ernst nimmst. An der Ausführung zu zweifeln, mag vielleicht nach der zweiten oder vierten Suiziddrohung menschlich sein, aber damit hilfst Du niemandem. Und wenn es dann doch zu einem Suizid kommt, wirst Du Dir vorwerfen, dass Du nicht versucht hast, es zu verhindern.

Wenn Du mögliche Suizidanzeichen beim Betroffenen bemerkst, solltest Du immer sofort reagieren. Biete das Gespräch über das Thema an. Zeige Interesse. Damit vermittelst Du Deinem Gegenüber, dass er Dir nicht egal ist.

Je nachdem, wie schwer die Depression ist, musst Du damit rechnen, dass Du keinen Zugang zur betroffenen Person erhältst. In dem Fall solltest Du jemanden hinzuziehen, der professionelle Hilfe leisten kann. Das kann in akuten Situationen der Hausarzt sein, der gegebenenfalls weitere Schritte einleitet, oder der bereits behandelnde Therapeut. Im Notfall kannst Du auch die Polizei einschalten, die ebenfalls entsprechende Maßnahmen zum Eigenschutz des Betroffenen unternimmt.

 

Mögliche Selbstmordanzeichen deuten

Je nach Schwere der Erkrankung, sehen depressive Personen in manchen Fällen keinen anderen Ausweg, als ihrem Leben ein Ende zu setzen. In manchen Fällen bereiten sie sich darauf vor. Mögliche Anzeichen, dass Dein Familienmitglied oder Freund selbstmordgefährdet und/oder ein Suizidversuch bevorstehen könnte, sind:
  • Öfter Bemerkungen über Selbstmord oder lieber tot sein zu wollen
  • Äußerungen über Selbsthass und Hoffnungslosigkeit
  • Gefährliche und/oder selbst-zerstörerische Verhaltensweisen/Vorkommnisse
  • Viele gesammelte Medikamente, vor allem Schlaf- und Beruhigungsmittel
  • Eine angeschaffte Waffe oder bereits vorhandene Waffe oder andere tödliche Gegenstände frei zugänglich liegen herum
  • Persönliche Angelegenheiten werden geregelt
  • Untypische Verabschiedungen
  • Plötzliche ruhige Gefühlslage nach einer schweren depressiven Phase

 

Besser informieren, um besser verstehen zu können

Fachliteratur ist sicherlich eine gute Informationsquelle, bezieht sich oftmals aber überwiegend auf medizinische/anatomische Aspekte. Im Grunde genommen ist das Wichtigste an dieser, dass es sich bei Depressionen tatsächlich um eine Erkrankung durch Funktionsstörungen auf psychischer Ebene handelt. Betroffene können die Krankheit nicht bekämpfen, indem sie sich einfach zusammenreißen.

Wesentlich weiter bringen Dich Informationen von Personen, die selbst an Depressionen erkrankt sind oder waren. Von ihnen lernst Du, was die Krankheit in einem auslöst, wo die Bedürfnisse liegen, wie der Verlauf sein kann und wie man sich als Betroffener fühlt. Mit Lesestoff oder in persönlichen Gesprächen mit Erfahrenden erfährst Du meist so viel mehr, als von Fachexperten, die ihr Wissen aus Medizinbüchern und selbst nur als Dritte Erfahrungen aus den Behandlungen mit Patienten gesammelt haben.

Durch mehr Informationen, kannst Du Dich besser mit dem Thema auseinandersetzen, im Idealfall entwickelst Du mehr Verständnis und erfährst, was anderen geholfen hat. So kannst Du wesentlich effektiver helfen. Der Kontakt zu Selbsthilfegruppe kann hier zum Beispiel für Dich sehr hilfreich sein.

 

Unterstützung bei ärztlichen Notwendigkeiten

Niedergeschlagenheit, Demotivation, keine Lust zu Nichts und vieles mehr, können sich bei depressiven Menschen oft auch auf die ärztlichen Verordnungen beziehen. Dies umfasst zum Beispiel:

  •  Erstvorstellung bei Arzt
  • Medikation
  • Stimmungstagebuch
  • Therapiestunden
  • Klinikaufenthalten

Bevor betroffene Personen selbst ihre Depressionen als diese annehmen, weigern sie sich in der Regel, einen Arzt aufzusuchen. Meist werden Medikamente verschrieben, die eine Verschlimmerung der Depressionen verhindern sollen und im Idealfall Symptome bessern.

Befinden sich Betroffene in regelmäßiger professioneller Behandlung, wird vielfach das Schreiben eines Stimmungstagebuchs verordnet, um die Schwere der Krankheit besser einschätzen zu können. Gesprächssitzungen mit einem Therapeuten ist in den meisten Fällen unerlässlich. Manchmal kann nur eine Intensivbehandlung in Form eines Klinikaufenthaltes erforderlich sein.

In jedem Fall hilfst Du, wenn Du die betroffene Person dabei unterstützt, die Medikamente pünktlich einzunehmen, Termine nicht zu verpassen und vor allem, auf die mögliche Bedenken eines Patienten vor einem stationären Klinikaufenthalt positiv einzugehen. Zu Terminen zu begleiten, hilft Betroffenen meist ebenso spürbar, wie das Abnehmen beispielsweise von Terminvereinbarungen oder Rezeptbestellungen.

Vergessen solltest Du dabei allerdings nicht, dass Du nicht die ganze Verantwortung für diesen Menschen übernehmen kannst. Diese solltest Du denen überlassen, die sich professionell damit auskennen. Deshalb ist es auch wichtig, dass in jedem Fall immer eine eindeutige Diagnose gestellt wird, damit entsprechende ärztliche Verordnungen und Notwendigkeiten vorgeben werden.

 

Zuversicht vermitteln

Auch wenn es Dir ein Erkrankter nicht sofort glaubt, aber Du solltest ihm regelmäßig sagen, dass Depressionen behandelbar sind und er/sie nicht auf ewig damit leben muss. Es kommen wieder bessere Zeiten. Dies vermittelt früher oder später mindestens einen Funken Zuversicht beim Betroffenen. Vor allem kann es helfen, Suizidgedanken zu vermeiden.

Ein gutes Beispiel sein

Ermutige Deinen Freund oder Dein Familienmitglied zu einem gesünderen, stimmungsfördernden Lebensstil, indem Du es ihm vormachst. Zeige Deine positive Energie, ernähre Dich gesund und vermeide Alkohol und Drogen. Bewege Dich viel und lasse die erkrankte Person wissen, dass auch Du manchmal Hilfe/Unterstützung von anderen benötigst und annimmst.

Du kannst einen Betroffen nicht das Gegenteil von dem, wie Du lebst und Dich verhältst, als das Richtige anpreisen.

 

Motivation als versteckte Hilfe

Nutze gute Momente, um einen depressiven Menschen zu mehr Aktivität und Teilnahme am Leben zu motivieren. Schlage gemeinsame Spaziergänge vor, lade ihn/sie zum Essen ein oder frage, ob er/sie Dich ins Schwimmbad begleitet.

Beachten solltest Du dabei, dass Deine vorgeschlagenen Vorhaben recht spontan erfolgen. Wenn Du für nächste Woche zum Essen einlädst, sinken die Chancen, dass er/sie Deinen Vorschlag annimmt. Der Überraschungseffekt kann bei spontanen Planungen für Dich und Deine Hilfe spielen.

Außerdem solltest Du unbedingt auf ein Drängen verzichten, wenn die betroffene Person ablehnt. Dies würde unter Umständen Schuldgefühle auslösen.

Wichtig ist hierbei, dass Du auf eine Ablehnung gelassen reagierst und auf keinen Fall den Eindruck vermittelst, enttäuscht oder sauer zu sein. Wenn Du mit viel Verständnis und Feingefühl auf die Ablehnung antwortest, hilfst Du der betroffenen Person dabei, sich nicht noch schlechter zu fühlen.

Gebe aber nicht auf und biete immer wieder Vorschläge zu gemeinsamen Unternehmungen an. So erhöhst Du die Möglichkeit, dass es klappt und der/die Erkrankte wenigstens für eine kurze Zeit wieder in das “normale” Leben hineinschnuppern kann. In manchen Fällen haben Betroffene durch diese Weise wieder zurück ins Leben gefunden.

 

Eigene Ängste über Depressionen verlieren

Ja, eine Depression ist eine psychische Krankheit. Hiermit können sich mögliche Faktoren verbinden, wie zum Beispiel unberechenbare Handlungen, Aggressionen oder Verlust der Leistungsstärke. Das löst bei einigen Ängste aus. Diese Ängste erlauben Dir nicht, unvoreingenommen Hilfe zu leisten, zumal diese Ängste unberechtigt sind.

In vielen Fällen lassen Dich Betroffene nicht mal spüren, dass sie unter Depressionen leiden, sofern Du keinen engen Kontakt pflegst und die akuten Phasen miterlebst. Betroffene gehen vielfach ihrer normalen Berufstätigkeit nach und die Phase beginnen erst, wenn sie zu Hause zur Ruhe kommen. Sie sind bis auf diese depressiven Phasen auch weiterhin die Menschen, die Du vorher kanntest – nur mit dem Unterschied, dass sie sich immer weiter in sich zurückziehen und Stimmungstiefs eintreten.

Eine Bedrohung stellen Depressive maximal für sich selbst dar, aber nicht für Dich. Deine Angst kannst Du also beruhigt ablegen und solltest es auch, denn früher oder später nimmt diese auch der Betroffene wahr. Eine Förderung der Depressionen Betroffener könnte die Folge sein.

 

Glaube keinen Boulevard-Experten

An den Beispielen des Germanwings-Absturzes und des Amoklaufs in Winnenden kannst Du gut erkennen, wie von der Boulevard-Presse das Thema Depressionen ausgeschlachtet wird. Sie zitieren (angebliche) Experten, fügen ihre Versionen hinzu und lassen Relevantes weg, wenn dies das Leserinteresse mindern könnte.

Heutzutage geht es in den Boulevard-Medien vorrangig um Absatzzahlen und Klicks auf ihren Internetseiten. Wirkliche Recherche betreiben nur noch die Wenigsten. So kam es anhand der genannten Beispiele und in jedem anderen Fall, in dem der Täter unter Depressionen litt, zu Artikeln, die Depressionen als Ursache für diese Unglücke darstellen.

Aus zahlreichen Untersuchungen wirklicher und Medien-unabhängiger Experten geht hervor, dass allerdings in den seltensten Fällen Depressionen die Ursache waren. Die Auslöser stammten meist aus ganz anderen Bereichen. Mobbing, Rauswurf aus einer Schule oder drohender Jobverlust sind nur einige Beispiele für diese möglichen Auslöser.

Lasse Dich also nicht durch die Boulevard-Presse beeinflussen, denn Depressionen machen aus einem ansonsten liebevollen und rücksichtsvollen Menschen keinen Mörder. Davon abgesehen, machen es derartige öffentliche Berichte Betroffenen nicht leichter, mit ihrer Krankheit und ihren Mitmenschen umzugehen.

 

Vergiss Dich niemals selbst

Einer der wichtigsten Tipps bezieht sich auf Dich selbst. Wenn Du helfen möchtest, darfst Du Dich dabei nicht selbst vergessen oder sogar aufgeben. Du musst Dein Leben weiter leben und Dich nicht schlecht fühlen, wenn Du beispielsweise einen tollen Abend mit Freunden verbracht hast, während Deine Schwester oder Freundin allein traurig und niedergeschlagen zu Hause saß. Es ist nicht Deine Krankheit und soll es auch nicht werden, weil Du Dich plötzlich selbst immer öfter schuldig fühlst. So kommst Du schneller in den gleichen Sog, als Du vielleicht denkst.

Du kannst für keinen depressiv Kranken die Verantwortung übernehmen. Wenn Du merkst, dass es Dir zu viel wird, ist es keine Schlechtigkeit, dies Dir auch einzugestehen und kürzer zu treten. Es können Ärzte oder Therapeuten übernehmen, die ein großes Kontingent an professioneller Hilfe anbieten können.

 

Lasse Dich selbst mental unterstützen

Es ist kein Verrat oder Vertrauensmissbrauch, wenn Du mit anderen über einen depressiven Verwandten oder Freund sprichst, um selbst ein wenig Unterstützung zu erhalten. Durch diese kannst Du mehr Energie erhalten, die Du in die Hilfe einer depressiven Person investieren kannst.

Bei der Auswahl Deines Gesprächspartners solltest Du unbedingt darauf achten, dass es sich um eine vertrauenswürdige Person handelt, bei der Du ehrlich sein kannst und ein guter Zuhörer ist. Auch Selbsthilfegruppe für Angehörige beziehungsweise Helfer wie Dich, können Dir Unterstützung bieten.

Bei der mentalen Unterstützung geht es weniger darum, wie es dem depressiven Menschen geht, sondern wie Du Dich dabei fühlst und wie es emotional in Dir aussieht. Dies hilft Dir dabei, Dein Inneres zu ordnen und Platz sowie Kraft für Deine geduldige Ausdauer zu schaffen.

 

Die richtigen Worte wählen

Miteinander zu sprechen, ist ein extrem wichtiger Faktor im Bereich der Hilfe bei depressiven Personen. Aber hier kommt es auf die richtige Wortwahl bei der Kommunikation mit Betroffenen an. Oftmals wird unbedacht vor sich hin geredet und man weiß gar nicht, welche Schäden die falsche Wortwahl anrichten kann.

Vor allem ist es oft schwierig, die betroffene Person auf ihre psychische Erkrankung optimal anzusprechen und ein Hilfeangebot in die richtigen Worte zu packen. Oder möchtest Du mehr über die Gefühlslage und die vorliegenden Symptome der Depressionen bei einer betroffenen Person erfahren, weil Du helfen möchtest?

Du solltest wissen, wie weit Du verbal gehen kannst. Vorwürfe sind zum Beispiel ebenso völlig fehl am Platz, wie ausgedrückte Unverständlichkeit oder Ruppigkeit. Grundsätzlich solltest Du in erster Linie ein guter Zuhörer sein. Mit den richtigen Worten, kannst Du Betroffene zum Reden animieren und ihnen im Idealfall ein positives Gefühl vermitteln.

Beispiele für den Start einer Kommunikation:

  • In letzter Zeit habe ich an Deinem Verhalten einige Veränderungen wahr genommen.
  • Ich mache mir Sorgen um Dich.
  • Ich wollte mal nach Dir sehen, weil Du in letzter Zeit so niedergeschlagen wirkst.

 

Beispiele für erste Fragen:

  • Seit wann fühlst Du Dich so?
  • Ist etwas bestimmtes passiert, dass diese Gefühlslage in Dir ausgelöst hat?
  • Hast Du schon mal darüber nachgedacht, Hilfe in Anspruch zu nehmen?
  • Wie kann ich Dich jetzt am besten unterstützen?

 

Kommunikationsbeispiele für Dein Hilfeangebot

  • Du musst da nicht allein durch. Ich bin für Dich da.
  • Du wirst es in diesem Moment vielleicht nicht glauben, aber Deine Gefühlslage wird sich wieder bessern.
  • Ich kann vielleicht nicht genau nachempfinden, wie Du dich gerade fühlst, aber mir liegt viel an Dir und ich möchte Dir helfen.
  • Du bist mir wichtig und ich möchte, dass es Dir gut geht. Sage mir, wie ich Dir helfen kann.

 

Welche Aussagen Du unbedingt vermeiden solltest:

  • Das passiert alles nur in Deinem Kopf.
  • Wir gehen da alle mal durch und jeder kommt da wieder raus.
  • Konzentriere Dich auf die schönen Dinge im Leben.
  • Es gibt so viel, für das sich das Leben lohnt. Warum willst Du sterben?
  • Ich kann an Deiner Situation nicht ändern. Das musst Du selbst angehen.
  • Was läuft falsch bei Dir?
  • Langsam sollte es Dir jetzt aber wieder besser gehen.

Weiterführende Informationen

www.deutsche-depressionshilfe.de
Homepage der 2008 gegründeten Stiftung Deutsche Depressions Hilfe. Auf der Homepage können sich Betroffene und Angehörige über die Arbeit der Stiftung informieren.

www.depressionsliga.de
Homepage des Vereins Deutsche Depressionsliga e.V. Hier erhalten Angehörige und Betroffene nützliche Informationen und Unterstützung über das Thema Depression. Der Verein bietet unter anderem auch eine telefonische Beratung an.

www.frnd.de
Freunde fürs Leben nennt sich dieser Verein. Ziel von Freunde fürs Leben ist es, zu unterstützen und über die Depression aufzuklären, damit schneller geholfen werden kann. Mit gezielten Projekten will der Verein die Menschen näher an die Themen Depression und Suizid heranbringen.